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Kostensteigerungen und Vogelgrippe lassen Bestände schrumpfen: Gibt es etwa keine Gans zum Martinstag?

Die Gans zum 11. November, dem Martinstag, hat eine alte Tradition. Zwar wird das deftige Gericht längst nicht mehr in jedem Haushalt serviert, dennoch gehört es zu dem Datum dazu. Rund um den Martinstag und bis Weihnachten werden Gänse- und Entengerichte besonders auch von Restaurants und Kantinen angeboten. Als Gast der Gastronomie spart man sich die aufwendige Zubereitung und kann sich bedienen lassen. Doch in diesem Jahr sind Gänse knapper und teurer und nicht überall in den Betrieben aufgestallt worden. Auch auf der Speisekarte stehen sie seltener.

Gänse sind in diesem Jahr deutlich teuerer geworden. Foto: Pixabay

Die Tradition des Gänsebratens zu St. Martin geht auf die Jahre um 370 n. Chr. zurück, als der heilige Martin vor seiner Weihung zum Bischof einmal Zuflucht in einem Gänsestall suchte und von den schnatternden Gänsen verraten wurde. Vor Beginn der Fastenzeit bis Weihnachten aß man sich zudem noch mal mit Fleisch satt. Eine andere Begründung für die Tradition könnte sein, dass man Gänse vor dem Winter schlachtete, um sie nicht teuer durchfüttern zu müssen. – In Zeiten der Inflation ist dieses Argument im Jahr 2022 wieder präsent.

Gestiegene Futterkosten
Gänse und Enten werden hierzulande zwar nicht durch den Winter, aber durch den Sommer gefüttert, um rechtzeitig im Jahr schlachtreif zu sein. Und das Füttern ist in diesem Jahr deutlich kostspieliger gewesen. Denn die Preise für Geflügelfutter liegen deutlich über denen der Vorjahre, bedingt durch gesteigerte Marktpreise für Getreide und Ölschrote.

Dauer-Risiko Vogelgrippe
In diesem Jahr hat die Ausbreitung der Vogelgrippe keine Pause eingelegt und ist zum Dauerrisiko für die Haltung von Geflügel geworden. Die Bedingungen für Erzeuger, um Gänse rentabel aufzuziehen, haben sich merklich verschlechtert. Zuletzt verdichtete sich das Infektionsgeschehen in norddeutschen Bundesländern. Hierzulande werden Gänse und Enten überwiegend im Freiland gehalten, durch das Risiko der Infektion auf der Weide haben einige Erzeuger die Haltung aufgegeben oder ausgesetzt. Speziell kleinere Betriebe, die das Saisongeflügel nur als Zubrot sehen und das Fleisch im kleinen Umkreis vermarkten, haben in diesem Jahr keine Küken eingestallt. Auch für die großen Haupterwerbsbetriebe ist die Situation der der Vogelgrippe eine Nervenzerreißprobe. Denn tritt ein Infektionsfall in einem Tierbestand auf, so müssen zur vorsorglichen Eindämmung des hochansteckenden Erregers die Tiere des gesamten Bestandes getötet und entsorgt werden. Gänseprodukte aus heimischen Landen dürfte daher knapper und teurer sein als in den Jahren zu vor. Die Ausbreitung der Geflügelpest betrifft ganz Europa, in 25 Ländern wurden in den letzten 12 Monaten Infektionsfälle gemeldet. Die Funde der mit dem hochansteckenden Erreger infizierten Wild- und Hausvögeln häufen sich primär im Nordseeraum. Das Haltungsrisiko beeinträchtigt die Geflügelmast, Brütereien und Legehennenbetriebe.

Weniger Küken für die Aufzucht
Schon im vorigen Jahr konnten viele Brütereien nicht die bestellten Mengen an Küken liefern, weil es zu einer Vielzahl an Keulungen von Elterntierbeständen kam. Dies gilt im Inland wie auch für den Bezug aus Nachbarländern. Das Angebot an Küken war auch zu Beginn der diesjährigen Saison entsprechend knapp und höherpreisig.

Knappes Angebot, höhere Preise
Das Marktangebot an Schlachtgänsen und -enten ist geschrumpft. Die tatsächliche Anzahl des in Schleswig-Holstein gehaltenen Nutzgeflügels ist aktuell kaum zu bestimmen, seit der letzten Erhebung 2020 ist mit einem erheblichen Rückgang zu rechnen. Die meisten Betriebe, welche direkt an den Endverbraucher vermarkten, arbeiten mit Vorbestellungen. Sie haben zumeist nur einen Teil der Tiere aufgezogen, die sie in anderen Jahren anbieten und sind schneller ausverkauft. Aber auch größere Betriebe kommen oft nicht an die Vorjahreszahlen heran, vor allem durch den Mangel an Küken. Durch Infektionsfälle in bald schlachtreifen Herden verkleinert sich das Angebot am Markt zusätzlich. Die Preise werden dadurch angetrieben, den größeren Einfluss haben allerdings die Futter und Energiekosten. Verbraucher können frische Gänse ab Hof und auf Wochenmärkten für Preise zwischen 18,00 und 24,00 €/kg bekommen und Enten für 11,00 bis 21,80 €/kg. Das sind rund 30 % mehr als im Vorjahr. Im Supermarkt gibt es billige Angebote mit weiterAnreise, etwa aus Ungarn für 5 bis 8 €/kg Aktionspreis, deutsche Ware kostet im Angebot 15 €/kg.

Gastronomie will, aber kann nicht immer
Das Zubereiten von Gänsen und Enten ist für die Gastronomie vor allem ein Saisongeschäft. In den Corona-Jahren wurden innovative Ideen geboren, etwa die Außer-Haus-Bestellung von fertig gegarten und zubereiteten Braten. Solche Ideen wurden von den Verbrauchern gut angenommen und halfen den Restaurants durch die Krise. In diesem Jahr jedoch summieren sich die Preissteigerungen beim Rohwareneinkauf und auch bei den Energiekosten für die Zubereitung, dies neben gesteigerten Personalkosten. Einige Gastronomen können ihre Angebote nur unter deutlichen Preisanhebungen fortführen, rechnen aber nicht mit einer ausreichenden Zahlungsbereitschaft der Kunden. Um einem Minusgeschäft aus dem Weg zu gehen, werden die Gerichte dann von der Karte gestrichen und die Martinsgans muss ausfallen. Dennoch – wer suchet, der findet – bei vielen Restaurants steht das Traditionsgericht, trotz allem auf der Karte.

Fazit
Die Aufzucht der saisonal beliebten Gänse und Enten ist in diesem Jahr teurer geworden. Ein verringertes Aufkommen an Küken sowie gesteigerte Futter- und Haltungskosten haben in den Betrieben zu einer Reduktion der Tierzahlen geführt. Die Vogelgrippe blieb während des ganzen Jahres präsent und stellt ein Dauerrisiko für Geflügelhalter dar. Zum Martinstag gibt es daher ein kleineres Angebot an Schlachtgeflügel zu höheren Preisen. Die Wertschätzung für regional aufgezogene Tiere ist nicht geschrumpft, wohl aber das verfügbare Geld im Portemonnaie der Verbraucher.

Verantwortlich für diesen Pressetext: Daniela Rixen, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Tel.: 0 43 31-94 53-110, drixen@lksh.de