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EIP Projekt „Flugsaat“ - Aussaat von Zwischenfrüchten und Untersaaten per Drohne: Lösen Agrargroßdrohnen die Sämaschine ab?

Mitten auf dem Getreidefeld im Sommer surrt es laut – aber es ist nicht der Mähdrescher. Es ist eine Drohne. Sie bringt die Saat aus, noch bevor die Ernte beginnt. Was nach Zukunft klingt, wird in Schleswig-Holstein erprobt. Am (heutigen) 19. Juni stellte die Landwirtschaftskammer auf dem Ackerbaubetrieb von Projektleiter Ruben Soth in Lockstedt, Kreis Steinburg, das Europäische Innovations-Projekt Flugsaat der Öffentlichkeit vor.

Erfolgreicher Flug der Agras T50 Drohne bei der Zwischenfruchtsaatgutausbringung aus der Luft in einen stehenden Gerstenbestand im Rahmen des europäischen Innovationsprojektes „Flugsaat“ mit den Projektpartnern: v. li.: Jonas Fahrenkrog (Saaten-Union), Prof. Eberhard Hartung (CAU), Jan Lausen (Landwirt), Ruben Soth (Projektleiter LKSH), Marc Stieper (Gewässerschutzberatung Nord), Kammerpräsidentin Ute Volquardsen und Dr. Thomas Räbiger (Gewässerschutzberatung Nord) Foto: Stefan Jonas, LKSH

Die Agras T50 Drohne (Foto: Hersteller).

Bei der Flugsaat handelt es sich um die Ausbringung von Saatgut (vornehmlich für Zwischenfrüchte und Untersaaten) aus der Luft. Die Drohne ermöglicht die Ausbringung des Zwischenfrucht-Saatguts bereits wenige Wochen vor der Ernte in den stehenden abreifenden Getreidebestand. Geschützt vor starker UV-Strahlung und Hitze kann die Saat dank er Restfeuchte im stehenden Getreidebestand dann keimen. Zum Drusch ist die Zwischenfrucht im besten Falle bereits wenige Zentimeter aufgewachsen und genießt so einen Vegetationsvorsprung zu den bisherigen Verfahren, wo in der Regel zunächst nach der Ernte ein Stoppelbruch (Bodenbearbeitung) folgt und anschließend erst die Aussaat per Drillmaschine. Ein bearbeiteter Acker (nach der Ernte) kann sich sehr stark erhitzen, wenn der Niederschlag fehlt, sodass die Keimung der Zwischenfruchtsaat dann weitgehend ausbleibt. Die Folge, der Boden bleibt länger unbedeckt, Erosionen und Wasserverlust nehmen weiter zu.

Bei der Drohnensaat ist der Vorteil, dass die angewachsene Zwischenfrucht unmittelbar nach der Ernte den Boden bedeckt und die jungen Pflanzen noch unter Langtagbedingungen mit dem Längenwachstum zwischen den Stoppeln beginnen. Unabhängig von der Befahrbarkeit der Flächen erzeugt die Drohne nie Bodendruck, schont also das Bodengefüge sowie Bodenbrüter und man kann auch unmittelbar nach einem Regenschauer aussäen. Nässe und unbefahrbare Felder spielen hier keine Rolle.

Die Präsidentin der Landwirtschaftskammer, Ute Volquardsen, betonte die große Bedeutung dieses Innovationsprojekts für eine zukunftsfähige Landwirtschaft im Klimawandel und sagte: „Flugsaat ist eine praktische und bodenschonende Lösung für ein immer drängenderes Problem, gleichzeitig die Erträge zu sichern und die Böden zu schützen, bei zunehmenden Wetterextremen“. Zwischenfrüchte und Untersaaten, so erklärte sie weiter, übernehmen dabei eine zentrale Rolle: Sie sorgen im Winter für eine geschlossene Bodenbedeckung, verhindern Erosion, fördern den Humusaufbau und helfen, Nährstoffe im Boden zu halten. Leguminosen wie Sommerwicke können sogar Stickstoff aus der Luft binden – ein Vorteil für Klima und Betriebskosten. Besonders hob sie hervor, dass das Projekt aus der Praxis heraus entstanden sei: Landwirtinnen und Landwirte aus ganz
Schleswig-Holstein haben gemeinsam mit Wissenschaft, Beratung, Saatgutwirtschaft und der Landwirtschaftskammer die Idee entwickelt und setzen sie nun gemeinsam um. „Unser Ziel ist es, in den nächsten drei Jahren ein praxistaugliches Verfahren für die Gegebenheiten in Schleswig-Holstein zu entwickeln, das Ökonomie und Ökologie verbindet – und Landwirtinnen und Landwirte konkret entlastet.“

Wird diese Technik also den Schlepper ablösen? Und die Großdrohne in 10 Jahren in der Landwirtschaft so normal sein wie heute der Mähdrescher?
Prof. Eberhardt Hartung, Institut für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, sagte dazu: „Die Drohne wird den Schlepper sicherlich nicht ersetzen, sondern diesen gut in der Praxis ergänzen und sich im alltäglichen Einsatz etablieren. Das Potenzial zum Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln und Dünger wird besonders dort von Drohnen voll ausgeschöpft werden können, wo große, zusammenhängende Flächen und optimale Einsatzlogistik vorhanden sind. Da die effiziente Nutzung darüber hinaus geschultes Bedienpersonal, eine adäquate Infrastruktur sowie die Beachtung rechtlicher und sicherheits-technischer Vorgaben voraussetzt, wird der Einsatz von Agrargroßdrohnen eher von Maschinenringen/Lohnunternehmern oder speziellen Dienstleistern übernommen werden.“

Was wird im Projekt untersucht?
In dem Projekt unter Federführung der Landwirtschaftskammer und wissenschaftlicher Begleitung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel werden mehrere Feldversuche auf neun landwirtschaftlichen Betrieben zur Erprobung angelegt, in verschiedenen Naturräumen Schleswig-Holsteins (Hohe Geest, Vorgeest, Östliches Hügelland, Marsch). Hierbei wird in randomisierten Streifenversuchen untersucht, inwieweit die Drohnensaat einer stärkeren Zwischenfrucht/Untersaataufwuchs als herkömmliche Aussaatverfahren erreicht und ob Bestände aus der Drohnensaat mehr Nährstoffe vor der Auswaschung im Winter schützen. Des Weiteren werden verschiedene Saatgutmischungen per Drohnenausbringung und Saatzeitpunkte verglichen. Außerdem wird in den dreijährigen Projektzeitraum geprüft, inwieweit eine Strohbergung nach der Drohnensaat möglich ist. Hierauf aufbauend soll ein Flugsaat-Leitfaden für Schleswig-Holstein, eine Flugsaatmischung sowie ein ökonomischer Vergleich erstellt werden, um das Verfahren in die Praxis zu tragen.

Technik und Kosten
Im Projekt wird eine eigene Agras T50 Drohne genutzt. Die Drohne mit einer Spannweite von knapp 3,20 m kostet mit Streu- und Sprühtechnik sowie drei Flugakkus etwa 20.000 €. Obwohl ein Flugakku mit einem Gewicht von ca. 12 kg eine Ladekapazität von 30 Ah (zehnmal so viel wie ein gängiger Handyakku) besitzt, reicht die Leistung unter voller Last nur für etwa sieben Minuten, ehe die Drohne wieder landen muss. In dieser Zeit müssen die übrigen Akkus am Bo-den mittels Stromaggregaten geladen werden. Entsprechende Stromerzeuger schlagen mit ca. 2.200 € zu Buche. Da die Drohne im Einsatz mit bis zu 36 km/h fliegt, ist der Saatguttank mit 70 l innerhalb der vom Akku begrenzten Einsatzzeit auch geleert. Hieraus ergibt sich eine realistische Flächenleistung von 6 bis 8 ha/h. Die Flächenleistung kann durch eine durchdachte Logistik, die das Wiederbefüllen und Tauschen des Akkus beschleunigt, gesteigert werden. Zum Transport der Drohne, Stromerzeuger, Ladegeräte, Akkus und eventuell Saatgut wird ein Sprinter oder auch größerer Pkw mit Anhänger benötigt.
Erste Erfahrungen aus dem Süden Deutschlands zeigen, dass die Drohnensaat nicht nur öko-logische, sondern auch ökonomische Vorteile bringt. Dort wird die Drohnensaat mit etwa 30 €/ha angesetzt, während eine Mulchsaat etwa 55 €/ha und eine Aussaat mit der Drillmaschine nach einem Stoppelbruch etwa 93 €/ha kostet. Wird nach dem Stoppelbruch mit Kreiselegge gedrillt, erhöhen sich die Kosten sogar auf rund 120 €/ha.

Rechtliche Vorgaben
Der Einsatz der Agrar-Großdrohne im Projekt Flugsaat ist rechtlich anspruchsvoll – einfacher "Abflug" ist nicht möglich. Im Gegensatz zu herkömmlichen Landmaschinen, bei denen in der Regel der T-Führerschein für den Fahrer genügt, erfordert der Drohneneinsatz umfangreiche Genehmigungen und spezielle Qualifikationen:

  • Die Drohne fällt mit über 100 kg Startgewicht in die „spezielle Betriebskategorie“ nach EU-Drohnenverordnung – vergleichbar mit Drohnen für Paketlieferungen.
  • Erforderlich sind u. a. der A2-Drohnenführerschein, eine praktische Schulung sowie eine individuelle Betriebsgenehmigung des Luftfahrtbundesamts.
  • Für jede Fläche muss eine SORA-Risikoanalyse erstellt werden – zur Bewertung von Bo-den- und Luftrisiken (für unbeteiligte Personen, Tiere und die Umwelt sowie Zusammenstoß mit anderen Luftfahrzeugen: Fallschirmspringer, Segelflugzeuge, Rettungshubschrauber usw.).
  • Das Genehmigungsverfahren für die Befliegung einer Fläche kann aktuell mehrere Monate dauern.
  • Kostenpunkt für Lizenzen und Genehmigungen: rund 9.000 Euro.

Chancen und Risiken
Dieses sehr trockene Frühjahr zeigt erneut, dass die Landwirte von den Folgen des Klimawandels bereits betroffen sind und in den kommenden Jahren zunehmend betroffen sein werden. Der Klimareport SH prognostiziert eine Änderung der Extreme: mehr Sommertage und heiße Tage, weniger Frost- und Eistage. Die Prognosemodelle modellieren zudem eine Zunahme der Tage mit Niederschlag von mindestens 10 l/m2 pro Tag – die Häufigkeit von Starkregenereignissen nimmt somit leicht zu. Die Flugsaat ermöglicht eine klimaangepasste Bewirtschaftung durch das Etablieren gut entwickelter Zwischenfrüchte und Untersaaten, die vor Erosionen, Nährstoffverlusten und Verdunstung schützen, ohne Ertragseinbußen der Hauptkultur zu pro-vozieren. Zeitgleich wird der Energie- und Zeitaufwand um ein Vielfaches gesenkt und es wer-den Arbeitsspitzen durch das Verlegen des Saatzeitpunkts gebrochen. Mögliche Risiken sind ein schlechtes Auflaufverhalten aufgrund fehlenden Bodenschlusses, durch Fraßschäden oder auch durch den Einfluss des Herbizidmanagements in der Hauptkultur. Andersherum können stark entwickelte Bestände Probleme bei der folgenden Ernte bereiten und zu Qualitätseinbußen führen.

Teilnehmende Projektpartner
Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Ruben Soth
Julius Voss, ökol. Ackerbau- und Gemüsebetrieb
Eckhardt-Heinrich Hartmann, konv. Ackerbaubetrieb
Matthias Schiller, ökol. Ackerbaubetrieb
Florian Bornholdt, konv. Futterbau- Milchviehbetrieb
Henning Münster, konv. Futterbau- Milchviehbetrieb
Henry Kühl, konv. Energieerzeuger Biogasbetrieb
Peter Hagge, konv. Ackerbau- und Gemüsebetrieb
Jan Lausen, konv. Futterbau- Milchviehbetrieb
Futterbau- Milchviehbetriebe der Insel Föhr, vertreten durch den Wasserbeschaffungsverband Föhr
CAU Kiel, Institut für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik, Prof. Dr. Eberhardt Hartung
Gewässerschutzberatung Nord, Dr. Thomas Räbiger
Saaten-Union GmbH, Jonas Fahrenkrog

Projektlaufzeit: 1. Oktober 2024 bis 30. September 2027:
„Das Projekt „Flugsaat“ wird im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP Agri) Schleswig-Holstein durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gefördert.“ Weiter Infos unter: EIP-Agrar | Flugsaat (eip-agrar-sh.de)
Verantwortlich für diesen Pressetext: Daniela Rixen, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Tel.: 0 43 31-94 53-109, drixen@lksh.de