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Kammerpreis für Innovation in der Tierhaltung: Geht’s dem Tier gut, freut sich der Mensch

Die Präsidentin der Landwirtschaftskammer, Ute Volquardsen, hat heute erneut zwei Betriebe für ihre Innovationen in der Tierhaltung ausgezeichnet. Diese sind Beispiele für den Einklang von tiergerechter Haltung und Wirtschaftlichkeit in der Landwirtschaft, sagte sie morgens im Kreis Pinneberg und am Nachmittag im Kreis Schleswig-Flensburg. Viele fordern Tierwohl, die Betriebe im Land setzen es um und die Kammer zeigt einmal im Jahr neue Beispiele. Oft sind es kleine, konsequente Maßnahmen für großen Erfolg.

 

V. li.: Kammerpräsidentin Ute Volquardsen, Dierk, Heidi, Mika, Mirko und Mareike Engelbrecht. Der Betrieb zeichnet sich durch sein konsequentes Tier- und Mitarbeitermanagement aus, was sich auch in den Leistungsparametern widerspiegelt. Foto: Isa-Maria Kuhn

V. li.: Ute Volquardsen mit Familie Otzen vor der Rinderherde. Der Betrieb zeichnet sich insbesondere durch die rotbunte, französische Fleischrasse unter dem Herdennamen „von Hedeby“ aus. Foto: Isa-Maria Kuhn

Bei der feierlichen Aushändigung von Urkunde und Bronzeteller sagte Ute Volquardsen: „Die landwirtschaftliche Tierhaltung steht durch den politisch, gesellschaftlich geforderten und auch von der Landwirtschaft gewollten Umbau in den kommenden Jahren vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Tierwohl und Tiergesundheit sind, wenn es um Tierhaltung geht, mit Recht die bestimmenden Themen unserer Zeit geworden. Aber auch die Begrifflichkeit Versorgungssicherheit ist plötzlich wieder in den Fokus der manchmal emotional geführten Diskussion gerückt. Jeder von uns ist Verbraucher und kann sich somit dieser Diskussion nicht entziehen. Deren Umfang und Komplexität, die Vielfalt der Perspektiven sowie die unterschiedlichen Interessenlagen zeigen gerade den Konflikt, der auch immer wieder Ausdruck in Protestaktionen findet.“

Das Ziel der Landwirtschaftskammer sei es, genau diese Diskussion zu versachlichen und zusammen mit den Partnern aus Wissenschaft und Praxis die Grundlagen für eine faktengebundene Information für Verbraucher und Landwirte bereitzustellen. „Aber auch Politik, lebensmittelverarbeitende Industrie und Verbraucher müssen durch ihr Handeln zeigen, dass man es ernst meint, die Landwirtschaft beim Umbau der Tierhaltung aktiv zu unterstützen. Politik muss einen langfristigen fraktionsübergreifenden Weg aufzeigen, der den Betrieben bei ihren Investitionen in die Zukunft Planungssicherheit ermöglicht. Ställe werden eben nicht nur für 5 Jahre, sondern für 20 Jahre gebaut,“ führte Präsidentin Volquardsen heute weiter aus. „Der Lebensmitteleinzelhandel muss sich ebenso seiner Verantwortung bewusst sein, dass die sich selbst gesteckten Ziele, z. B. ab 2030 100 % des Frischfleisch-Sortiments aus den Haltungsstufen 3 und 4 verkaufen zu wollen, auch direkte Auswirkungen auf den Konsum und den Preis haben werden. Jedem Verbraucher muss bewusst sein, dass es dies nicht zum Nulltarif geben kann.“

Trotz der durch diverse Krisen (Corona-, Ukraine-, Energie- oder Inflationskrise) entstandenen extrem wechselhaften Märkte, von denen insbesondere die Landwirtschaft massiv betroffen ist, dürfe man nicht darauf warten, dass die unterschiedlichen Interessensgruppen den Takt vorgeben, sondern die Landwirtschaft sei dazu angehalten, die zukünftige Entwicklung der Branche aktiv zu gestalten. Umso wichtiger sei es, Betriebe zu haben, die neue und zukunftsweisende Ansätze mutig und aktiv verfolgen und somit Denkanstöße für die Tierhalter geben.

Ute Volquardsen erklärte, warum die diesjährigen Sieger auf Vorschlag der Tierzuchtverbände nach Prüfung seitens der Kammer von ihr ausgezeichnet werden: „Tolle Beispiele hierfür sind die von uns heute für innovative Ansätze in der Tierhaltung ausgezeichneten Betriebe, die Engelbrecht GbR von Dierk und Heidi Engelbrecht in Bokholt-Hanredder sowie der Rinderzuchtbetrieb von Hennig Otzen in Busdorf. Beide sind in ihrem jeweiligen Bereich bemerkenswert und zeigen, dass bereits kleine Stellschrauben große Wirkung auf die Tiergesundheit und das Tierwohl haben können.“

Betrieb Dierk Engelbrecht: Datensammlung für gesunde Kühe

Der Familienbetrieb bewirtschaftet seit 1972 den Betrieb am heutigen Standort in zweiter Generation und hat sich über die Jahre in mehreren Wachstumsschritten stetig vergrößert. Aktuell hat der Betrieb einen Bestand von 250 Rindern plus Nachzucht und bewirtschaftet rund 170 ha.

Familie Engelbrecht hat drei Kinder. Der älteste Sohn (21) hat die Höla absolviert. Er wird aber nicht gleich in den Betrieb einsteigen, sodass der Betrieb mithilfe einer Vielzahl an Fremdarbeitskräften (2 feste Mitarbeiter, 2 Abzubildende und 6 Aushilfskräfte) bewirtschaftet wird.

Ziel des Betriebes ist neben der konsequenten Gleichbehandlung der Tiere – egal welcher Mitarbeiter Dienst hat – auch mehr Lebensqualität für die Mitarbeiter und die Betriebsleiterfamilie zu schaffen. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es eines konsequenten Managements.

So hat der Betrieb 2013 auf dreimaliges Melken umgestellt, um den Mitarbeitern zusammenhängende Arbeitsschichten zu ermöglichen. Ebenso wurde zur Entlastung der Mitarbeiter bei Routinearbeiten in Technik investiert (unter anderem Futterschieber, Einstreukiste).

Im Hinblick auf die Tiergesundheit wurde im vergangenen Jahr – aufgrund der in 2020 erkannten Probleme – in ein Lüftungssystem sowie erwähnten Futterschieber investiert und durch Fräsen der Laufflächen die Trittfestigkeit verbessert. Zudem tragen alle Kühe einen Pansenbolus. Dieser Transponder erfasst kontinuierlich individuelle Gesundheitsdaten der Kühe und ermöglicht es frühzeitig, auf Probleme reagieren zu können.

Der Betrieb zeichnet sich somit durch sein konsequentes Tier- und Mitarbeitermanagement aus, was sich auch in der Leistung widerspiegelt. Die seit 10 Jahren über 11.000 kg liegende Leistung beweist dies eindrucksvoll.


Betrieb Familie Henning Otzen: seltene Rasse für schwierige Standorte

Henning Otzen ist Tierarzt und bewirtschaftet den ökologischen Betrieb in Busdorf in zweiter Generation. Der Nebenerwerbsbetrieb umfasst ca. 40 ha überwiegend extensives Dauergrünland. Der Vater, Hans-Volkert Otzen, suchte eine Rasse für seinen schwer zu bewirtschaften Niederungsstandort und kaufte schließlich 2010 Rinder der in Schleswig-Holstein unbekannten französischen Rasse Maine-Anjou. Diese rotbunte, französische Fleischrasse wird seitdem unter dem Herdennamen „von Hedeby“ gezüchtet.

Die Rasse zeichnet sich neben ihrem gutmütigen Wesen insbesondere durch das große kompensatorische Wachstumspotenzial aus. Gerade die Fähigkeit, auch mit minderwertigem Futter auszukommen, wird sich auf Hof Haithabu zunutze gemacht.

Vater und Sohn sind im Vorstand des Maine-Anjou Verbandes Deutschland e.V. aktiv, sind international vernetzt und tragen durch das Fachwissen von Henning Otzen maßgeblich zur Erweiterung und Verbesserung der deutschen Population bei. Ihr Ziel ist es, dass die Kälber eines Jahrganges mit möglichst unterschiedlicher genetischer Grundlage ausgestattet sind.

Während der Vegetationsperiode befinden sich alle Tiere auf der Weide. Das für die Rinder giftige Jakobskreuzkraut wird über konsequentes Ausstechen und regelmäßigen Mulchen zurückgedrängt. Im Winter werden die Tiere in einem offenen videoüberwachten Tretmiststall nach Nutzungsgruppen gehalten.

Der Betrieb ist bei „Feinheimisch“ Mitglied und vermarktet das sehr intensiv gleichmäßig rote Fleisch in Rindfleischpaketen direkt ab Schlachter an die Endkunden.

Der Betrieb zeichnet sich somit insbesondere durch die Rasse aus und beweist, dass auch schwierige Niederungsbereiche sinnvoll landwirtschaftlich genutzt werden können. Zudem nutzt der Betrieb für die Zucht konsequent die Information des Stammbaumes und der Zuchtwertschätzung.


Hintergrund zur Rinderhaltung in Schleswig-Holstein

Mit über 300.000 ha Grünland ist Schleswig-Holstein ein echtes Weideland. Neben Pferden und Schafen werden von diesen Flächen auch Rinder ernährt. Rund 6.800 Betriebe halten knapp 1 Mio. Rinder, davon sind etwa 360.000 Milchkühe (vor allem Holstein Schwarzbunt) und über 90.000 Fleischrinder (Limousin, Galloway, et cetera).

Verantwortlich für diesen Pressetext: Isa-Maria Kuhn, Pressesprecherin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Tel.: 0 43 31-94 53 110, ikuhn@lksh.de