„Für die Berechnungen haben wir alle verfügbaren Daten zu Humus und Biomasse in Hecken zusammengetragen – 13 Studien und eigene Daten mit insgesamt fast 150 untersuchten Hecken“, sagt Sophie Drexler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen-Institut. Für die Forschenden ergab sich ein überraschendendes Bild: Pro Hektar wird in einer Hecke im langjährigen Mittel fast genauso viel Kohlenstoff gebunden wie in Wäldern. Dies kann mit der hohen Dichte an Ästen und Zweigen in Hecken und den guten Wuchsbedingungen in der Agrarlandschaft erklärt werden. Besonders viel Kohlenstoff wird auch in den Wurzelstöcken der Hecken gebunden. In den letzten 70 Jahren wurde aber fast die Hälfte aller Hecken in Deutschland beseitigt, meist durch Flurbereinigungsmaßnahmen.
In der Landwirtschaft und aus landwirtschaftlich genutzten Böden entstehen in Deutschland etwa 12 % der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Die meisten Emissionen kommen als Methan aus dem Verdauungstrakt von Rindern und als Lachgas durch die Düngung von Äckern und Grünland. Viele dieser Emissionen sind schwer oder gar nicht vermeidbar, weil sie aus biologischen Prozessen stammen. Zusätzlich werden große Mengen Kohlendioxid durch die landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden emittiert. Klimaneutralität ist im Landwirtschaftssektor also nur erreichbar, wenn an anderer Stelle Emissionen wieder kompensiert werden. Dazu können Hecken einen Beitrag leisten. Eine Kommune mit 5.000 Einwohnern kann zum Beispiel die mit dem Milchkonsum verbundene Treibhausgasemission von zehn Jahren durch das Pflanzen von sechs Hektar Hecken und Feldgehölzen kompensieren.
Nur Neuanpflanzungen haben positiven Klimaeffekt
Die größte Wirkung für den Klimaschutz entfalten Hecken, wenn sie auf Ackerböden angepflanzt werden. Denn hier wird zusätzlicher Kohlenstoff nicht nur in der Biomasse, sondern auch im Boden als Humus gebunden. Es sind allerdings nur neu angepflanzte Hecken, die klimawirksam sind, denn mit ihrer zunehmenden Biomasse erhöhen sie die Kohlenstoffspeicherung in der Landschaft. Dieser Kohlenstoffspeichereffekt kann deshalb auch nur einmal angerechnet werden, auch wenn es etwa 20 Jahre dauert, bis eine Hecke aufgewachsen ist. Im Boden kann es sogar noch länger dauern, bis die erhöhten Humusvorräte ein neues Gleichgewicht erreicht haben und nicht weiter steigen.
Neben dem Klimaeffekt schützen Hecken den Boden vor Winderosion und haben eine kühlende Wirkung. Ein Dürresommer richtet in einer heckenreichen Agrarlandschaft weniger Schaden an. Von Hecken profitieren auch viele Tiere und Pflanzen, für die Hecken Lebensraum und Verbindungsglied zwischen Biotopen sind. „Die vielfältigen Leistungen von Hecken machen diese zu attraktiven Strukturelementen in der Agrarlandschaft“, sagt Projektleiter Dr. Axel Don. Trotzdem ist es in den letzten Jahrzehnten kaum zu neuen Heckenanpflanzungen gekommen. Dafür sieht der Thünen-Wissenschaftler verschiedene Gründe. Ein Grund sei der Förderdschungel, der Flächenbesitzer*innen und Landwirt*innen überfordere. In jedem Bundesland gibt es andere Programme mit anderen Anforderungen und Angeboten. Es reiche auch nicht, wenn nur die Anlage von Hecken gefördert würde. Die Pflege von Hecken müsse genauso in die Förderung einbezogen werden. Helfen können Landschaftspflegeverbände, von denen einige schon „schlüsselfertige“ Hecken anbieten. Daneben setzen sich auch die Jagdverbände seit langem für eine reicher strukturierte Agrarlandschaft ein.
Langlebigkeit hat Vor- und Nachteile
Die neue Thünen-Studie könnte solchen Initiativen Rückenwind geben. Denn nun wird es erstmals möglich, die Klimaschutzleistung von neuen Hecken zu quantifizieren. Don ist überzeugt: „Es gibt kaum eine Klimaschutzmaßnahme im Agrarbereich, mit der auf so wenig Fläche so viel Effekt erzielbar ist.“ Es gäbe schon erste Firmen, die mit Heckenanpflanzungen eine CO2-Neutralität ihrer Produktion erreichen wollen. Doch warum bleiben das meist nur Pläne? Gerade die Langlebigkeit dieser Strukturelemente sieht Don als Pferdefuß. Hecken stünden unter besonderem Schutz und ließen sich, einmal gepflanzt, nicht so schnell wieder entfernen. Zwar hätte dies den Vorteil, dass damit auch die Kohlenstoffbindung und der Klimaschutzeffekt kaum verloren gehen. Die Flächenbesitzer würden dadurch aber an Flexibilität verlieren – und bisher auch im Unklaren gelassen, ob neue Hecken weiterhin als landwirtschaftliche Nutzflächen gelten und damit förderfähig bleiben.
Darüber hinaus fehlt es an Absatzmärken für den entstehenden Strauchschnitt. Hecken müssen alle 8 bis 12 Jahre abschnittsweise auf den Stock gesetzt, also radikal zurückgeschnitten werden, um ihre Funktion zu erhalten. Durch die Nutzung des anfallenden Strauchschnitts als erneuerbare Energiequelle, z.B. als Holzhackschnitzel, könnte der Klimaschutzeffekt von Hecken sogar noch vergrößert werden, rechnet die Thünen-Studie vor. Im Moment fehlen dazu aber entsprechende regionale Nutzungskonzepte. Stattdessen werden Holzhackschnitzel aus aller Welt importiert. Die Ergebnisse der Thünen-Studie belegen: Um die in den letzten 60 Jahren gerodeten Hecken wieder neu anzupflanzen, würden nur 0,3 % der landwirtschaftlichen Fläche benötigt. Damit ließen sich die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder einräumen und gleichzeitig 10 Millionen Tonnen CO2 binden und klimaunschädlich machen.