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Landwirtschaftskammer im Kreis Dithmarschen unterwegs

Fahren wir künftig mit Wasserstoff – Zukunftsmusik oder Alternative für die Verwendung überschüssigen Stroms unserer Windkraftanlagen im Norden?

Die diesjährige Kreisbereisung der Landwirtschaftskammer führte in den Kreis Dithmarschen. Besucht wurde die Wasserstofferzeugung und Tankstelle der Wind to Gas Energy GmbH & Co. KG in Brunsbüttel. Zusammen mit örtlichen Medienvertretern informierte sich die Kammerführung: Präsidentin Ute Volquardsen, Vizepräsident Arno Carstensen, Vorstandsmitglied Heino Hansen sowie Geschäftsführer Peter Levsen Johannsen mit der Repräsentantin der Landwirtschaftskammer im Kreis Dithmarschen Eike Brandt zur zukünftigen Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren Energien, um Möglichkeiten für die Landwirtschaft auszuloten. Tim Brandt, Geschäftsführer der Wind to Gas Energy GmbH & Co. KG informierte über seine neue Technologie aus Wind-strom Wasserstoff zu erzeugen und über eine Wasserstofftankstelle Wasserstoffautos zu betanken.

 

Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer, betankt eines der modernen Wasserstofffahrzeuge der Wind to Gas Energy GmbH & Co. KG in Brunsbüttel. Dieses Auto fährt mit einer Tankfüllung 580 bis 750 km. Im Rahmen der Kreisbereisung nach Dithmarschen informierte sich die Kammerführung über die neue Technologie und Möglichkeiten. Foto: Daniela Rixen

Dithmarschen produziert mehr als dreimal so viel Energie wie der Kreis benötigt.

Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer, sagte in Brunsbüttel: „Uns als Landwirtschaftskammer ist es wichtig, uns direkt vor Ort im Kreis – in dem Fall in Dithmarschen über aktuelle Thema wie heute hier über die Erneuerbare Energien zu informieren. Wir möchten aus erster Hand den aktuellen Stand der Technik erfahren und haben ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte. Auf den landwirtschaftlichen Betrieben war in diesem Jahr das Wetter- Risiko, aber auch die Düngeverordnung und der Netzausbau besonders hier Thema.“

Kammer für Zukunftstechnologie
„Die Landwirtschaftskammer spricht sich für eine Wasserstofferzeugung aus, zumal wenn dieser aus überschüssigem Strom kommt. Wasserstoff kann zukünftig eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen. Zudem sind landwirtschaftliche Betriebe oft an Windparks beteiligt. Sie betreiben auf ihren Gebäuden vielfach auch große Photovoltaikanlagen (PV) und unterliegen daher ebenfalls dem Einspeisemanagement. Alternative Konzepte für die Nutzung überzähligen Stroms sind hilfreich, da bei Netzüberlastung Abschaltung droht. Genauso wichtig ist auch, dass ab 2025 für die ersten PV-Anlagen die 20-jährige EEG-Vergütung endet. Eine freie Vermarktung des PV-Stroms an der Strombörse für 4 bis 6 ct/kWh ist, unter Beachtung der Betriebskosten, wenig lukrativ. Die Wasserstofferzeugung auch aus Sonnenstrom könnte eine Lösung für diesen Strom werden“, sagte Ute Volquardsen.

Windstrom zu Wasserstoff
Gerade in Schleswig-Holstein stehen Windräder immer wieder still, da die Stromnetze überlastet sind. 2018 wurden rund 2.500 GWh oder 2.500 Mio. kWh EE-Strom abgeschaltet und mit rund 300 Mio. € über die Netzentgelte der Haushalte in Schleswig-Holstein entschädigt. Das heißt wir Stromverbraucher zahlen die Kosten. Bezogen auf die gesamte Erneuerbare Energien-Stromerzeugung waren dass 11 % von 22.700 GWh. Mit dieser Strommenge hätte man über 700.000 Einfamilienhäuser versorgen können.
Hier wird mit Hilfe eines Elektrolyseurs, Wasserstoff aus Windstrom erzeugt und zur Tankstelle geleitet. Dort erfolgt eine weitere Verdichtung auf 700 bar. Damit wird ein Speicher für 40 Tankladungen befüllt. Die tägliche Wasserstoffmenge reicht rechnerisch für 160 Tankfüllungen. Ein Wasserstoffauto, von denen es mittlerweile rund 20 im Umkreis der Tankstelle gibt, kann damit je nach Wagentyp rund 600 km bis zur nächsten Zapfsäule fahren. Ca. 100 Tankstellen werden deutschlandweit bis Ende des Jahres in Betrieb sein.

Aus Wasserstoff macht Strom
Auch der umgekehrte Weg ist über Wasserstoff möglich: Der Wasserstoff könnte mit Hilfe einer Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt werden.

Aus Wasserstoff wird grüner Kraftstoff
Noch etwas weiter gedacht, kann mit dem „grünen Wasserstoff“ auch grüner Kraftstoff, z. B. Diesel, für die eigenen landwirtschaftliche Maschinen hergestellt werden. Es gibt bereits eine erste Containerlösung, die auch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb einsetzbar wäre. Das Verfahren nennt sich dann Power to Liquid. Die Containerlösung wurde von der Ineratec GmbH in Karlsruhe entwickelt. In einem solchen Container erfolgt zunächst die Wasserstofferzeugung, der in einem zweiten Verfahrensschritt zusammen mit Kohlendioxid (CO2), also einem klimaschädlichen Treibhausgas, im Reaktor in ein Synthesegas umgewandelt wird. Aus dem Synthesegas werden dann im Fischer-Tropsch Reaktor synthetische Kraftstoffe wie Methanol, Benzin, Diesel hergestellt.

Weiter sind für die Nutzung von Abschaltstrom Netzentgelte und Umlagen zu zahlen, die die Wasserstoff-Erzeugung vielerorts für die Unternehmen unwirtschaftlich machen, und es fehlt noch an den Rahmenbedingungen wie Gesetzen und technische Richtlinien. Hier beklagt die Branche, dass die Bundespolitik hier auf der Bremse steht.
Nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer könnte sich eine CO2-Bepreisung positiv auf die Wasserstofftechnologienutzung auswirken.

Alternative Hofkonzepte für Jung und Alt in Eddelak
Am Nachmittag wurde zunächst der Betrieb Meves Hof von Urte und Sönke Meves
in Eddelak besucht. Dieser Hof bietet Angebote für Menschen mit Betreuungsbedarf an. Das können z. B. Demenzkranke sein, die mit ihren Angehörigen vor Ort sind. Ziel ist es, innovative Entlastungsangebote und Betreuungsmöglichkeiten auf Höfen zu schaffen wie regelmäßige Hofbesuche von niedrigschwelligen Angeboten bis hin zur Tagespflege oder ambulant betreute Wohngemeinschaften. Diese Leistungen sollen sowohl den Betroffenen zu Gute kommen als auch zum Familieneinkommen der Betriebe beitragen. Der Bauernhof ist ein idealer Ort, um Menschen emotional zu berühren und zu ihren Wurzeln zu führen. Die Landwirtschaftskammer unterstützt Bauernhöfe dabei, attraktive Angebote für verschiedene Zielgruppe zu konzipieren. Der Mewes Hof bietet wie auch andere Höfe in Schleswig-Holstein pädagogische Angebote für Kinder an. Auf dem Bauernhof können Kinder Landwirtschaft mit all ihren Sinnen entdecken und aktiv positiv Erlebnisse haben. Weitere Informationen unter www.lksh.de Stichwort: Beratung in Einkommensalternativen.

Informeller Austausch am Nachmittag
Im Anschluss fand ein informeller Austausch hinter geschlossenen Türen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft des Kreises im Hotel Zur Traube statt. Im Fokus stand zum einen die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region. Neben der Agrarproduktion haben viele mittlerweile auch weitere Einkommensfelder erfolgreich entwickelt. Die heutige Agrarproduktion mit ihren ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Anforderungen ist ein Thema, das viele Menschen an der Westküste unseres Landes aber auch generell bewegt. Über diese Themen wurde intensiv diskutiert.

Statistik: Kreis Dithmarschen
Im Kreis Dithmarschen gibt es nach Angaben des Statistikamtes Nord rund 1.300 landwirtschaftliche Betriebe. Für viele Betrieb sind Erneuerbare Energien ein wichtiges Betriebs-Standbein. Dithmarschen gilt als Wiege der Windenergie. Dort wurde 1984 Growian gebaut, die erste Großwindanlage. Dithmarschen ist zudem für seine fruchtbaren Marschböden bekannt. Weizen, aber auch Kohl und Pflanzkartoffeln sind wichtige Erzeugnisse der Region. Die Region ist durch die Nähe zur Nordsee geprägt. Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Einkommensfaktor wie auch der Tourismus. Landesweit gibt es rund 12.700 landwirtschaftliche Betriebe. Dithmarschen produziert mehr als Dreimal so viel Energie wie der Kreis benötigt.

Hintergrund zum Elektrolyseur
Bei der Wasser-Elektrolyse wird Wasserstoff (H2) mit einem Elektrolyseur durch elektrischen Strom erzeugt. Die katalytische Wirkung einer Edelmetall-Elektrode führt zur Zersetzung des Wassers an der Anodenseite: Es entstehen Sauerstoff, freie Elektronen und positiv geladene H+-Ionen. Die Wasserstoff-Ionen diffundieren durch die protonenleitende Membran auf die Kathodenseite, wo sie mit den Elektronen zu Wasserstoff kombinieren. Die Endprodukte sind also Wasserstoff zur Energieverwendung/-speicherung und Sauerstoff für andere Prozess/Anwendungen.

Hintergrund: Weitere Wasserstoff-Projekte in SH

  • Reallabore der Energiewende, vom BMWI geförderte Projekte Sektorenkopplung und Wasserstofftechnologie - Westküste 100 – Die Raffinerie Heide GmbH will einen 30 Megawatt Elektrolyseur bauen, um Wasserstoff aus Abschaltstrom zu erzeugen, zu speichern und bedarfsgerecht zu nutzen, auch zur Herstellung CO2-neutaler Kraftstoffe.
    Raffinerie Heide GmbH, Meldorfer Straße 43, 25770 Hemmingstedt                    www.westkueste100.de/
  • Die H2 MOBILITY Deutschland eröffnete die erste Wasserstoff H2-Tankstelle in S.-H. in Handewitt, Schleswig-Holstein
  • GP JOULE, Reußenköge: Mit ihrem „Stromlückenfüller“ werden Stromüberschüsse aus naher Solar- und Windkraft mit einem Wirkungsgrad von 75% via Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt, der in Tanks gespeichert und somit jederzeit verfügbar ist. Im Kreis Nordfriesland sollen künftig zwei Wasserstoff-Busse im Linienverkehr, voraussichtlich zwischen Husum und Niebüll fahren. GP JOULE ist Mitinitiator und plant an bis zu 5 Windparks entlang der Strecke Wasserstoff-Erzeugungen/Tankstellen.
    GP JOULE GmbH, Cecilienkoog 16, 25821 Reußenköge  www.gp-joule.de
  • H-TEC SYSTEMS GmbH ist ein Hersteller von Wasserstoff-Elektrolyseuren mit 1 kW bis 1.000 kW Leistung im schleswig-holsteinischen Lübeck. H-TEC SYSTEMS GmbH, Maria-Goeppert-Str. 9a 23562 Lübeck  www.h-tec-systems.com
  • Großindustrielles Power-to-Gas-Projekt: ARGE Netz, MAN Energy Solutions und Vattenfall planen,in Brunsbüttel einen Elektrolyseur mit einem Leistungsvermögen von mindestens 50 Megawatt und eine Anlage zur Herstellung synthetischen Methans mit einer Leistung von mindestens 40 Tonnen pro Tag zu errichten. www.hysyngas.de

Verantwortlich für den Pressetext: Daniela Rixen, Pressesprecherin der Landwirt-schaftskammer Schleswig-Holstein, Tel.: 0 43 31-94 53-110, E-Mail: drixen@lksh.de